23.10.11

#SampleSunday - Das Feuerpferd

(...) Als das blendende Licht erlosch, nahm Silvana die Hände von den Augen und blinzelte. „Doriano, wo ist dieser Mann geblieben?“
Sie sah sich nach allen Seiten um. Feu verschwand gerade im Wald, doch von dem geheimnisvollen Fremden fehlte jede Spur.
Doriano rieb sich die Augen und wollte gerade antworten, da funkelte ihm etwas aus dem Schilf entgegen. Neugierig trat er näher. Es war ein silberfarbenes Band mit einem großen schillernden Anhänger. „Schau doch!“, rief er Silvana zu, während er es aufhob.
„Hast du wieder einen Kieselstein gefunden?“ Sie lächelte und griff nach seiner Hand. „Komm, wir müssen uns um Feu kümmern!“
Doriano steckte das Band in die Hosentasche und folgte ihr. Froh darüber, dass die Hufspuren zum Hof führten, interessierte ihn der Fremde nicht länger.

Erleichtert hörten die Geschwister von weitem Larissas Wiehern und die Antwort des Fohlens. Aber dann erspähten sie im Dämmerlicht des Stalls eine Gestalt neben Feu und der Stute.
Doriano blieb abrupt stehen. „Nicht schon wieder!“
Silvana schlich leise zur Tür – und lachte auf, als sie eintrat. „Federico, was machst du denn hier? Ich denke, du bist im Sommerpalast des Königs.“
Federico fuhr mit der linken Hand durch sein Haar. „Ich komme gerade zurück. Als ich die Rauchwolke über dem Tal stehen sah, bin ich sofort zu euch geritten.“
„Es war eine lange Nacht“, seufzte Silvana. Sie ließ sich auf einen Strohballen fallen und lehnte sich erschöpft gegen die Boxenwand. „Wenn es nicht wie aus Kannen gegossen hätte, wäre das ganze Haus abgebrannt.“
„Aber euch und den Tieren ist nichts passiert, nicht wahr? Und Larissa hat ein zauberhaftes Baby!“ Er strich dem Fohlen über den Rücken.
„Wir hatten Glück im Unglück“, bestätigte Doriano, der an der Tür stehen geblieben war.
„Gerade haben wir das Fohlen gesucht; es war das ausgerissen“, ergänzte Silvana leise und gähnte. Sie überlegte, ob sie den Zwischenfall mit dem Fremden erwähnen sollte, aber dann entschied sie, dass das warten konnte, bis sie ausgeschlafen waren. Wenn er sich weiter in der Gegend herumtrieb, würden ihn die Männer aus dem Dorf auch an einem anderen Tag finden. „Wieder einmal eine Nacht ohne Schlaf. Erst die Geburt von Feu, anschließend der Brand. Ich bin völlig erledigt. Keine Ahnung, wie es im Haus aussieht.“
„Dann kommt, Kinder!“ Entschlossen ging Federico voran. „Nehmt Wasser mit; es mag noch Brandnester geben.“
Sie gingen gemeinsam zum Brunnen und Federico reichte ihnen die Eimer, die sie füllten.
Vorsichtig betraten sie das Haus. Es stank nach Rauch und Verbranntem. Der grüne Treppenläufer hatte sich voll gesogen und sah fast schwarz aus. Im Treppenauge lagen angekohlte Trümmerstücke und darüber gähnte ein großes Loch. An der Wand sickerte Wasser entlang.
„Die Sonne wird schnell alles getrocknet haben.
In der Küche griff Federico nach einem Besen. Trotzdem er nur eine Hand hatte, gelang es ihm mühelos, ihn auszubalancieren. Er klopfte an mehreren Stellen gegen die Decke, aus der Feuchtigkeit quoll. Putz bröckelte herunter. „Gut“, meinte er schließlich. „Die scheint sicher zu sein. Die Küche könnt ihr benutzen.“
 ersten Stock. Dort war ein Teil der Decke eingebrochen. In Silvanas Bett stak ein verkohlter Balken. Ein großer Spiegel mit Intarsien lag zerschmettert am Boden.
„Oh nein! Mutters Spiegel!“ Bevor einer der Männer sie daran hindern konnte, den Raum zu betreten, kauerte sie davor. Sie rieb Ruß vom Rahmen und versuchte, ihn aufzurichten. Als sie den schweren Spiegel anhob, lösten sich einzelne Scherben und eine davon fiel auf ihren bloßen Arm. Sie stöhnte auf.
Im nächsten Augenblick stand Federico neben ihr. „Nicht weinen, Silvana. Das Glas kann man ersetzen. Du wirst sehen, er wird wieder wie neu.“
„Dann ist er aber nicht mehr derselbe.“ Erschöpfung und Müdigkeit brachen sich endlich Bahn und mit einem Schluchzen barg sie ihr Gesicht an seiner Schulter.
Federico zog sein Taschentuch hervor und wischte behutsam das Blut ab, das an ihrem Arm entlang sickerte. Doriano holte ein zweites aus einer Kommode. Er roch daran und verzog das Gesicht, verband aber trotzdem notdürftig die Wunde damit.
Dann sah er sich im Schlafzimmer um und goss über einem Teil des Deckenschutts das Wasser aus. Ein Blick nach oben sagte ihm, dass man den Dachstuhl wohl nicht betreten konnte. Dennoch lief er zum Brunnen zurück und füllte die Eimer neu.
Seine Vermutung bestätigte sich: Zuerst mussten die Trümmer beseitigt werden. Und der Teil des Daches, der noch stand, wirkte bedenklich baufällig. Auch wenn es eine nutzlose Geste war; in hohem Bogen schüttete Doriano das Wasser über die angekohlten Balken.

„Kommt, Kinder!“ Federico ging auf den Hof hinaus. „Wir lassen uns erst einmal von Teresa verwöhnen: Bis wir bei mir sind, wird sie das Mittagessen fertig haben. Inzwischen werden zwei meiner Leute Brandwache halten. Später helfen wir euch beim Aufräumen.“
Silvana und Doriano suchten halbwegs saubere Kleidung zusammen, sattelten zwei Pferde und folgten ihm.

***

„Miodio, miodio“, empfing die alte Teresa sie in der Küche des Weinguts. „So ein Unglück!“ Sie rang die Hände, als sie der zerzausten und verschmutzten Geschwister ansichtig wurde. „Das hast du gut gemacht, Federico, dass du sie hierher gebracht hast. Setzt euch, Kinder, setzt euch. Ihr werdet jetzt erst einmal tüchtig essen.“ Schnell schürte sie das Feuer im Herd und setzte einen Kessel auf. „Und Emma macht inzwischen heißes Wasser für euch. Gebt ihr eure Kleider; sie wird sie waschen und ausbessern. – Was hast du da am Arm, Kindchen?“ Sie zog Silvana an das niedrige Fenster. „Du bist ja verletzt. Auch das noch! Da werden wir uns gleich drum kümmern.“
Lächelnd wehrte Silvana sie ab. „Es ist bloß ein Kratzer!“
„Nein, nein, Kindchen! Mit all dem Dreck, das kann böse werden.“ Teresa öffnete die Tür zum Hof. „Emma, Emma! Wo steckt das Gör?“ Sie lief das kurze Stück zur Waschküche hinüber. „Emma, ich brauche dich! Und bring sauberes Leinen mit. – Rosalba! Mach die beiden Räume im Seitenflügel fertig.“ Anschließend deckte sie in Windeseile in der Küche den Tisch. „Ihr braucht erst einmal Ruhe nach dem Schrecken. Ist euer Haus überhaupt bewohnbar? Unsere Leute werden sich inzwischen um alles kümmern. Nicht wahr, Federico? – Silvana, nun setz dich endlich!“
„Silvanas Zimmer ist ein Trümmerfeld“, antwortete Federico. „Bleibt nur bei uns, bis der größte Schaden beseitigt ist. Wenn ihr ausgeschlafen habt, sehen wir weiter.“
Vom Schlafen wollten Doriano und Silvana nichts wissen. Nachdem sie gegessen und gebadet hatten, waren sie bereit zum Aufbruch. Ihre schmutzigen Kleider ließen sie in der Badestube liegen.

***

Rosalba stand schweißüberströmt und schimpfend am Waschzuber, als Emma die Kleidung der Geschwister brachte. „Noch mehr! Und alles bei dieser Hitze! Hat das nicht Zeit bis morgen?“, maulte sie und wedelte nachdrücklich den Wasserdampf vor ihrem Gesicht beiseite.
„Meinst du, morgen ist es weniger heiß? Der Sommer hat erst angefangen!“
„Was bist du wieder spitz!“ Rosalba verdrehte die Augen.
„Mach deine Arbeit“, fuhr Emma sie an und warf die Kleider in den Bottich.
Mit einem empörten Schnaufen schüttete Rosalba einen Eimer heißes Wasser nach. Dann zog sie Dorianos Hose aufs Waschbrett. Es klirrte leise. Neugierig beugte sie sich über den Zuber und sah eine Kette im Wasser niedersinken. Sie griff nach dem großen Anhänger. Da war ihr, als schaue sie daraus ein dunkles Auge an. Erschrocken fuhr sie zurück und ließ ihn wieder fallen.
„Was hast du?“, fragte Emma.
„N… nichts.“ Rosalbas Gesicht wurde noch röter als zuvor. „Ich … Das Wasser ist zu heiß.“
Kopfschüttelnd wandte sich Emma ab. „Dumme Pute“, sagte sie im Hinausgehen; laut genug, dass Rosalba es hören musste.
Rosalba wartete einen Augenblick, bevor sie erneut nach der Kette tastete. Wieder schien ihr, als starre sie durch den Dampf ein Auge an. Plötzlich ertönte ein leises Fauchen. Erschreckt blickte sie über die Schulter, aber von den Katzen war keine zu sehen.
Sie hielt das Amulett ins Licht, um es genauer zu betrachten: Es war ein schillernder dunkler Stein, der ungewöhnlich schwer in ihrer Hand lag. ‚Wie viel mag er wohl wert sein? Wenn ich ihn verkaufen könnte, ob ich genug Geld hätte, um von hier fortzukommen?’
Andächtig strich sie über das silberne Band. Da hörte sie ein Wispern. Blitzschnell versteckte sie die Kette in ihrer Schürze und eilte zur Tür. Aber niemand war auf dem Hof zu sehen. Sie schüttelte den Kopf und kehrte wieder an den Waschbottich zurück.

***

Am Gestüt angekommen, brachten sie die Pferde auf die Koppel. Doriano blickte zum Dach hinauf. „Federico und seine Männer haben ganze Arbeit geleistet.“ Zwischen Haus und Geräteschuppen lagen angekohlte Dachbalken und Ziegel aufgeschichtet. „Komm, Schwesterchen, schauen wir nach, was übrig geblieben ist.“
Die Sonne ging bereits unter und die alten Pinien warfen lange Schatten. Doriano öffnete das schwere Portal. Es quietschte in seiner Angel. „Das muss dringend geölt werden“, bemerkte er, als ob es nichts Wichtigeres gebe.
Silvana betrat zuerst die Wohnstube. „Schau, hier ist alles einigermaßen in Ordnung!“ Sie strich über die Anrichte und betrachtete den kleinen Rußfleck auf ihrer Hand.  „Wir könnten uns erst mal hier unten einrichten und danach die oberen Räume instand setzen.“ Sie ging zum Fenster und zog die Gardinen auf. „Die Vorhänge müssten allerdings abgenommen werden, sie stinken.“ Silvana rümpfte die Nase.
„Da muss noch einiges mehr gemacht werden.“ Unbemerkt war Federico ins Haus getreten. „Ich denke, das Dach werdet ihr komplett ersetzen müssen. Genauso wie Teile des ersten Stocks.“
„So schlimm?“ Silvana senkte den Kopf.
Federico ging zu ihr hinüber und fasste sie unters Kinn. „Kopf hoch. Das wird wieder werden. Ihr habt jetzt euer erstes Fohlen und notfalls bin ich auch noch da.“ Er legte den Arm um ihre Schulter.
Silvana beschlich ein seltsames Gefühl bei dieser Berührung. Verlegen suchte sie nach einer Antwort.
„Silvana, die Lebensmittel sind alle in Ordnung. Ach, Federico ...“ Doriano blieb im Türrahmen stehen und kniff die Augen zusammen.
Federico ließ Silvana los und trat einen Schritt zurück. „Ich habe meine Männer bereits nach Hause geschickt“, sagte er. „Ich muss jetzt auch wieder zurück. Wenn ihr Hilfe braucht, ihr wisst ja, wo ihr mich findet.“
Silvana schaute ihm versonnen nach, als er über den Hof ging. Trotz der fehlenden Hand schwang er sich mit Eleganz aufs Pferd.

„Ich gehe füttern. Kommst du mit?“, fragte sie ihren Bruder.
Doriano ging voraus, schob den schweren Riegel zurück und öffnete das Tor. Im Inneren des Stalls war es bereits dunkel. Die wenigen Pferde verhielten sich ungewöhnlich ruhig; sie vernahmen nur ein leises Scharren.
„Wo hast du die verdammte Laterne gelassen? Letzte Nacht hattest du sie noch.“
Es raschelte in der Ecke, in der Doriano die Laterne suchte. Ein Zinkeimer fiel polternd um.
„Doriano? Wo bist du?“ Silvana tastete sich langsam die Stallgasse entlang bis zur vierten Box, in der Larissa stand. „Doriano? Ich fürchte mich. Irgendetwas stimmt hier nicht.“
„Ja doch. Hier hinten bin ich. Dass du dir einfach nicht angewöhnen kannst, alle Dinge wieder an ihren Platz zu stellen.“
„Wieso ich? Du hattest sie zuletzt“, fauchte Silvana. Dann sprach sie leise weiter. „Larissa? Feu? Ich bringe euch frisches Stroh.“ Sie zog die Tür auf und betrat die Box. Die Stute schnaubte leise, als sie näher kam.
Plötzlich spürte Silvana einen warmen Windzug im Nacken und hatte das Gefühl, dass etwas ihren Arm streifte. Ihr Herz begann zu rasen.
„Doriano? Bist du das?“, flüsterte sie panisch. Sie bekam keine Antwort und wagte nicht, sich umzudrehen. Feu und die Larissa drängten näher zu ihr heran. Das Fohlen zitterte. Instinktiv presste Silvana ihren Körper an das Pferd. Und wieder – ein Windhauch, jemand berührte ihre Schulter. Sie erstarrte und hielt den Atem an. Plötzlich drückte ihr etwas die Kehle zu.
Feu stieg hoch, trommelte mit den Vorderläufen auf den Angreifer ein und schnaubte wütend. Der Druck auf ihren Hals lockerte sich. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte. Im Fallen hörte sie das dumpfe Stöhnen eines Mannes.
„Doriano! Doriano!“
Feu und Larissa wieherten abwechselnd. Da flackerte Licht auf, tauchte den Stall in Dämmer. Silvana sah eine Gestalt, die zum Ausgang rannte.
„Doriano, das war der Mann im braunen Umhang vom See. Er wollte mich umbringen! Was will er von uns?“ (...)

Leseprobe aus dem 3. Kapitel. Das Feuerpferd. 
Neu aufgelegt: Die Print-Ausgabe ist als Taschenbuch wieder bei Amazon erhältlich: auf allen europäischen und der amerikanischen Seite.
Als E-Book bei KoboGoogle Play, Smashwords; in allen Formaten, bei beam e-Books, bei Amazon im allen Kindle Shops, 
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Inzwischen gibt es "Das Feuerpferd" auch bei Thalia, Weltbild, Bertelsmann, Hugendubel , und vielen anderen Plattformen

16.10.11

#SampleSunday - Ustica

(...)
Laura fuhr in das Hotel, in dem die italienische Staffel wohnte.
Ein salopp gekleideter Mann diskutierte lautstark mit der Hotelsekretärin in der Portiersloge. Er war sehr bleich; an seiner Jeansjacke trug er einen Trauerflor. In sein Englisch flossen immer wieder italienische Satzbrocken ein; offensichtlich hatte er Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen.
Laura schlenderte zum Kiosk neben dem Empfang. Im Vorbeigehen hörte sie, dass die Sekretärin ihn von einem der toten Piloten sprach. Aber während sie dann in den Zeitschriften blätterte, verstand sie nichts von dem Gespräch; sie war zu weit entfernt.
Schließlich verließ die Sekretärin die Rezeption und kam kurz darauf mit einem Koch zurück. Die beiden Männer begannen eine minutenlange Unterhaltung auf Italienisch, deren Ergebnis der Koch leise übersetzte.
Laura ging an die Bar und bestellte einen Rotwein. Sie setzte sich an die Ecke, sodass der Koch an ihr vorbeigehen musste, um in die Küche zurückzukehren. Als er dann kam, glitt sie mit dem Glas in der Hand schwungvoll vom Barhocker. Sie rempelte ihn an und der Wein ergoss sich auf ihr Kostüm.
Laura fluchte.
Der Koch starrte sie einen Moment an. „Scusi, Signora. Bitte, kommen Sie mit in die Küche; ich werde mich um den Fleck kümmern.“
Sie bemühte sich, zuerst deutlich verärgert auszusehen. Dann lächelte sie. „Danke. Versuchen wir es.“ Sie seufzte laut. „Ausgerechnet Rotwein.“
„Mit Salz geht der Fleck weg; Sie werden sehen.“

In der Küche ließ sie sich auf einem Klapphocker nieder. Der Koch kramte in einem Schrank und zog ein sauberes Geschirrtuch hervor.
„Ich heiße übrigens Laura Schreiner“, sagte sie, als er vor ihr in die Hocke ging. Da er sich daraufhin nicht gleichfalls vorstellte, fuhr sie fort: „Ich sah zufällig, wie Sie einem Landsmann als Übersetzer zu Hilfe kamen.“
Der Koch legte sich das Geschirrtuch auf die Knie. „Eigentlich kann die Sekretärin auch Italienisch, aber zurzeit ...“ Er blickte kurz auf, dann löffelte er Salz auf den Fleck.
Laura war gespannt, wie er auf ihre nächsten Worte reagieren würde. „Das Unglück gestern hat alle sehr mitgenommen.“
Er nickte. „Warum musste das ausgerechnet uns passieren!“
„Ja, warum?“, echote Laura. „Mein kleiner Sohn sagt, die italienischen Kunstflieger seien besser als alle anderen.“ Sie lächelte mütterlich-stolz. „Er kennt sich aus, wissen Sie, so klein, wie er ist.“
„Kinder sind klug; viel klüger als die Eltern.“ Ein Lächeln überzog sein rundes Gesicht. „Ich habe auch einen kleinen Jungen; er ist vier.“
„Meiner ist schon neun. Aber seine Schwester ist vier. Sie geht in den katholischen Kindergarten; vielleicht kennt sie Ihren Sohn?“
Der Koch rieb mit dem Geschirrtuch auf dem eingesalzenen Fleck herum. „Bestimmt. Übrigens, ich heiße Tarcisio.“
Laura wertete das als Signal, dass sie sein Vertrauen gewonnen hatte, und kam auf die Flieger zurück. „Der Gast an der Rezeption trug einen Trauerflor; ist er ein Verwandter der abgestürzten Piloten?“
Tarcisio nickte, während er das Salz von ihrem Rock streifte. „Sisi; und er ist sehr zornig, weil man ihm die Hinterlassenschaften verweigert hat. Man habe die Piloten zum Schweigen gebracht, sagt er.“
„Die Mafia wagt sich an die Luftwaffe? Und dann so? Das glaube ich nicht“, behauptete Laura.
„Nicht die Mafia; die Mafia ist ein kleines Licht gegen die.“
Sie ließ einen Augenblick verstreichen, bevor sie die nächste Frage stellte. „Aber wer war es dann?“
Der Koch erhob sich und stellte das Salzfass neben den Herd. Er kniff die Augen zusammen, als er sie wieder ansah. „Warum fragen Sie das eigentlich alles?“
Laura zögerte. Einen Moment zu lange wohl, denn der Koch runzelte die Stirn.
„Interessiert uns das nicht alle?“
„Warum, Signora?“ Der Koch kam einen Schritt näher und sah ihr eindringlich ins Gesicht.
„Sie haben mich neugierig gemacht“, wich sie erneut aus und lächelte.
„Sie lügen, Signora. Was machen Sie überhaupt hier im Hotel?“
 (...)

Leseprobe aus Ustica. Kurzkrimi. E-Book.
Erhältlich bei Kobo in den iTunes-Stores, auf GooglePlay,, bei Weltbild, Thalia, bei Amazon im  deutschen Kindle Shop und natürlich auch in allen anderen Ländern; bei Barnes&Noble,  und im Casa del Libro, bei Smashwords in allen gängigen E-Book-Formaten; und im Kindle-Format und ePub-Format auch bei beam e-books sowie auf Xinxii und 99cent-ebooks


9.10.11

#SampleSunday - Leuchtende Hoffnung. Adventskalender

In einer fernen Zukunft haben zahllose Kriege und Umweltkatastrophen die Welt zerstört. Hunger und Krankheiten haben die Menschen auf ihre Urinstinkte zurückgeworfen. Die wenigen Überlebenden quälen sich entweder als resignierte Einzelgänger durch endlose Winter. Oder sie irren als heimatlose Gestalten umher und versuchen, den Untergang allen Lebens zu beschleunigen. Erid haust seit drei Jahren einsam in einer Höhle. Seit er seine Gefährtin verloren hat, zählt für ihn nur das schlichte Überleben. Da taucht in der Ferne ein seltsames Licht auf. Am gleichen Tag sucht eine verletzte Wölfin bei ihm Schutz. In Erid kehrt die Neugier zurück. Merkwürdiges geschieht, während er mit der Wölfin durch Schnee und Frost den Ursprung des Lichts sucht; und immer wieder scheint die Wölfin klüger als er. Eine alte Frau, die ein Stück des gefahrvollen Weges mit ihnen teilt, lehrt Erid neues Vertrauen. Und schließlich begegnet er Miriam ...  

Ein Adventskalender für Fans dystopischer Romane.

Als Taschenbuch  und als E-Book erhältlich

Erid hockte in seiner Erdhöhle. Es tropfte von der Decke ins Feuer. Bei dem Gedanken, dass über ihm eine dicke Schneedecke lag und keine Aussicht auf Veränderung bestand, schüttelte er sich.
Sein Holzvorrat ging dem Ende zu; spätestens am Morgen musste er nach oben gehen. Fintenreich hungrigen Wölfen ausweichen auf der Suche nach Brennmaterial, das dann feucht war und ewig brauchte, bis er damit heizen konnte. Er stöhnte, als er daran dachte. Kratzte sich zwischen den dreckigen Zehen. Morgen würde er auch einen Eimer Schnee hereinholen, um eine Katzenwäsche zu veranstalten. Sein Erdbunker stank schon nach ihm. Er rümpfte die lange Nase.
Die Winter wurden immer länger. Jetzt musste ungefähr Anfang Dezember sein – mittlerweile konnte man mit acht Monaten Winter rechnen. Dabei war er ein absoluter Sonnenanbeter gewesen, der die Hitze liebte. Missmutig betrachtete er seine glanzlose braune Haut.
Von der Decke bröselte Erde auf seinen Kopf herunter. Da marschierten die Bisons wieder über ihm hinweg. Die Horde stampfte, alles vibrierte. Hoffentlich brach die Felsdecke nicht eines Tages ein. Sie würden ihn kurzerhand erdrücken.
Erid griff nach den Nussvorräten und klopfte ein paar Walnüsse mit einem Stein auf. Das Beben hörte auf und er seufzte erleichtert.
Dann bestieg er das Rad, das den Generator antrieb, um Musik zu hören. Während er gegen den Muskelschwund anradelte, lauschte er ergriffen Mozarts Requiem. Er hatte einige Schallplatten und den Plattenspieler hierher geschafft. Viele Nächte war er dafür unterwegs gewesen zwischen seiner Wohnung in der zerstörten Stadt und diesem Platz, der kilometerweit entfernt lag.
Die Höhle hatte Erid durch Zufall beim Wandern entdeckt. Damals lag der Eingang offen. Jetzt hatte er ihn mit Steinen getarnt. Aber immer, wenn er hinaus musste, überfiel ihn die Angst, sein Bau wäre anderweitig bewohnt, wenn er zurückkehrte. Bisher hatte er Glück gehabt.
Der letzte Satz des Requiems war zu Ende. Erid stieg vom Rad, legte sich aufs Bett aus Fellen, blies die Kerze aus.
Am Morgen rüstete er sich, um auf Holzsuche zu gehen. Vielleicht lief ihm auch ein Schneehase über den Weg, den er fangen konnte. Die Nüsse hingen ihm schon zum Hals heraus. Er räumte den Steinhaufen beiseite, der das Loch tarnte, und kroch nach draußen. Das gleißende Weiß ließ Erids Augen tränen. Er schlüpfte in die Riemen, die seine Schneeschuhe unter den Stiefeln hielten und machte sich auf den Weg.
Die Sonne verwandelte das vor ihm liegende Feld in Millionen Glitzerkristalle. Bei dieser Helligkeit würden die Wölfe wohl kaum aus dem Wald herauskommen, um ihn zu jagen.
Vorsichtig näherte Erid sich dem Waldesrand. Keinesfalls hatte er vor, tief hineinzugehen, aber das Bruchholz hier war nur spärlich vorhanden.
Er wagte sich zwei Meter weit zwischen die Bäume, den Blick wachsam auf die entferntere Umgebung gerichtet.
Deswegen übersah er eine Fichtenwurzel und verfing sich mit dem Schneeschuh darin, knallte der Länge nach hin. Als er aufstehen wollte, knickte der Knöchel weg. Den Schmerzensschrei unterdrückte er, biss sich auf die Lippen. Ängstlich blickte er in die Tiefe des Waldes, aber es war alles still geblieben. Er hinkte aufs Feld hinaus – wahrscheinlich hatte er sich ein Band im Knöchel gezerrt. Plötzlich hielt er an. Am Horizont, wo sonst das Blau des Himmels mit dem Schnee eine gemeinsame Linie bildete, war ein merkwürdiges rötliches Leuchten zu sehen.
Sollte das die Sonne sein? Kündigte sie das nahe Ende des Winters an? Erid vergaß den schmerzenden Knöchel und seine Brust weitete sich bei dem Gedanken an den Frühling. Vielleicht dauerte es nur noch kurze Zeit, bis die Wärme sich wieder für ein paar Monate über der Erde ausbreitete.
„Sonne, ich bete dich an“, flüsterte Erid, kniete nieder und hob die Hände.
So ein Blödsinn! Er rappelte sich wieder hoch.
„Wenn mich hier einer sehen könnte, der würde glauben, ich hätte einen an der Klatsche. Im Schnee knien und die Sonne anbeten. Der monatelange Winter hat meinen Verstand eingefroren.“ Frühling! Ebensolch ein Blödsinn. Es war doch erst Anfang Dezember. Woher sollte da der Frühling kommen?
Sicher, die Welt war verrückt, daran hatte man sich gewöhnt. Kriege, heilige, demokratische und machtgierige, gehörten zum Alltag. Millionen von Menschen waren gestorben, hinzu kamen Erdbeben, Flutkatastrophen und Seuchen. Die Medien hatten jeden Tag die Sterbeziffern gemeldet. Welche Namen standen hinter den Ziffern? Was waren es für Menschen gewesen, welche Wünsche, Hoffnungen, Ängste hatten sie gehabt? Viele von ihnen hatten gebetet. Weder Allah noch der christliche Gott hatten ihre Gebete erhört. Nun lagen sie unter der Erde und könnten sich damit trösten, dass sie nach allen Schrecken, die sie erlebt hatten, diese endlos langen Winter nicht ertragen mussten und nicht die Einsamkeit.
Und er ertrug sie schon seit Jahren. Drei Jahre Einsamkeit und monatelange Winter. Wie oft hatte er die Hoffnung verloren, wenn die Angst kam, dass der Winter nie aufhören würde. Wenn die Wölfe heulten und seine Essensvorräte fast aufgebraucht waren. Und dann wurde es doch wieder Frühling und mit ihm kam die Hoffnung zurück, dass es irgendwo jemanden geben könnte, der einsam war wie er und auf der Suche nach einer menschlichen Begegnung.
Und jetzt dieser Lichtstreifen am Horizont, der immer breiter und immer glühender wurde, als wollte er das Eis und den Schnee wegtauen. Ein Hoffnungsschimmer? Oder stand wieder ein Stück Welt in Flammen? Unwillkürlich schnupperte er, als könne er mit seiner langen Nase aus so weiter Entfernung Brandgeruch wahrnehmen.
Die Luft war klar und frostkalt. Sein Knöchel schmerzte.

3.12.
Erid beendete seinen Ausflug in die Gedankenwelt, stand auf und ging beladen mit dürren Ästen den Weg zurück zu seiner Höhle.
Plötzlich raschelte es nicht weit entfernt. Schnell duckte er sich hinter einen Felsvorsprung und legte die Zweige auf den Boden, ohne viel Geräusch zu verursachen. Ängstlich wagte er einen Blick hinüber zum Tannenwald.
Die Bäume waren längst nicht mehr grün. Vertrocknet, abgestorben, standen sie dicht aneinander gereiht und bildeten einen düsteren Kontrast zum Schnee. In der Ferne bewegte sich ein Schatten in dem rot leuchtenden Panorama.
Er kniff die Augen zusammen, um besser zu erkennen, was sich auf ihn zu bewegte. Ein Wolf! Angespannt drückte er sich dichter an den Stein; hoffentlich hatte der Wolf ihn noch nicht gewittert. Er fror, versuchte seine Hände zu reiben, die Zehen zu bewegen. Unendlich lange hockte er da.
Sollte er sich trauen, nochmals hinüber zu schauen? Er beugte sich vor. Erschrak und fiel rückwärts in den Schnee. Der Wolf stand unmittelbar vor ihm und taxierte ihn aus seinen gelbgrünen Augen. (...)

Leseprobe aus: "Leuchtende Hoffnung". Science Fiction-Roman als bebilderter Adventskalender. 


ISBN der Taschenbuchausgabe 9782902412563.
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2.10.11

#SampleSunday - "Magische Geschichten": Der Bach

Es war einmal ein kleines Mädchen, das lebte mit Vater und Mutter in einer alten Wassermühle am Rande des Dorfes. Sorgsam nutzte der Vater die wilde Kraft des Baches, um das Feuer in seiner Schmiede in Gang zu halten: Unaufhörlich drehte das Wasser dafür ein großes eisernes Rad.
Hinter der Mühle sammelte sich der Bach über steilen Felsen, um sich dann jählings in die Tiefe zu stürzen. Hoch sprühte die Gischt und ließ sich in schimmernden Perlen auf den Büschen nieder, welche sich über den brausenden Bach neigten. Dort saß oft das Mädchen und wurde nicht müde, dem Donnern des Wassers zu lauschen.
„Lena, was machst du da?“, fragte sie der Vater zuweilen.
„Ich höre ihm zu!“
Und der Vater lächelte und kehrte zu seinem Amboss zurück.
Im Winter setzte es sich mit der Hauskatze ans Fenster und konnte sich nicht sattsehen an der Wunderwelt der glitzernden Eiskristalle, die der Frost am Rande des Wasserfalls erschaffen hatte. Und wenn die Mutter es dann fragte, was es täte, so antwortete es: „Ich schaue ihm zu!“
Der Bach nämlich, der wie ihr Kätzchen munter von einem Stein zum nächsten hüpfte, die Abhänge hinuntersprang und sich durchs Gras wälzte, dünkte Lena ein lebendiges Wesen grad wie die Katze. Nach den Eltern waren ihr beide das Liebste auf der Welt. Und sie wünschte Tag um Tag, dass sich ihr der Wassergeist selber zeigen möge, so wie es einst der Großmutter geschehen war.

So gingen die Jahre dahin. Dann kam ein Frühling, da wollte es gar nicht regnen. Die Saat auf den Feldern verdorrte und die Bauern begannen zu klagen. Auch der Bach wurde immer magerer. Aber er speiste sich aus Quellen tief im Inneren der Berge, und so wusste der Schmied seine Tochter zu beruhigen, dass er doch nicht versiegen würde.
Als der Sommer ins Land zog, wurde die Not noch größer. Erbarmungslos brannte die Sonne vom Himmel und das Vieh auf den Weiden schrie vor Durst. Lenas Bach war schmal und schwach geworden, doch immer noch trieb er das Mühlrad an.
Stundenlang saß Lena am Ufer und starrte auf die Rinnsale. Manchmal weinte sie bitterlich, denn sie fürchtete doch, er wäre bald ganz verschwunden.
Zuweilen kam wohl der Vater, sie zu trösten. „Wasser ist ewig, mein Kind“, pflegte er zu sagen. „Und nichts auf der Welt ist mächtiger. Es besiegt das Feuer; kein Stein hält ihm stand. Und es ist stärker als wir Menschen.“
„Er spricht nicht mehr mit mir“, jammerte Lena dann.
„O doch“, entgegnete der Vater lächelnd. „Hör nur genau hin.“ Und er nahm ein Steinchen auf und ließ es ins Wasser platschen: „Horch! Auch das ist seine Stimme.“

Eines Mittags kamen zwei alte Bauern zum Vater. “Höre, Schmied„ sprachen sie. "Wir brauchen Wasser für unser Vieh und unsere Felder. Wir werden talwärts dem Bach ein neues Bett graben und ihn auf unsere Äcker leiten."
„Nein!“, schrie Lena auf, die alles mit angehört hatte. „Das könnt ihr nicht tun!“
„Still, Kind“, wies der Vater sie zurecht. „Davon verstehst du noch nichts.“
Lena riss die Augen auf, erschrocken ob der unerwarteten Rüge. Doch dann fasste sie sich ein Herz: „Vater, sie können die Tiere doch herführen zum Tränken. Aber sie dürfen den Bach nicht einsperren. Er wird sich darüber ärgern.“ (...)

Leseprobe aus: "Magische Geschichten". Anthologie. 
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