16.10.11

#SampleSunday - Ustica

(...)
Laura fuhr in das Hotel, in dem die italienische Staffel wohnte.
Ein salopp gekleideter Mann diskutierte lautstark mit der Hotelsekretärin in der Portiersloge. Er war sehr bleich; an seiner Jeansjacke trug er einen Trauerflor. In sein Englisch flossen immer wieder italienische Satzbrocken ein; offensichtlich hatte er Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen.
Laura schlenderte zum Kiosk neben dem Empfang. Im Vorbeigehen hörte sie, dass die Sekretärin ihn von einem der toten Piloten sprach. Aber während sie dann in den Zeitschriften blätterte, verstand sie nichts von dem Gespräch; sie war zu weit entfernt.
Schließlich verließ die Sekretärin die Rezeption und kam kurz darauf mit einem Koch zurück. Die beiden Männer begannen eine minutenlange Unterhaltung auf Italienisch, deren Ergebnis der Koch leise übersetzte.
Laura ging an die Bar und bestellte einen Rotwein. Sie setzte sich an die Ecke, sodass der Koch an ihr vorbeigehen musste, um in die Küche zurückzukehren. Als er dann kam, glitt sie mit dem Glas in der Hand schwungvoll vom Barhocker. Sie rempelte ihn an und der Wein ergoss sich auf ihr Kostüm.
Laura fluchte.
Der Koch starrte sie einen Moment an. „Scusi, Signora. Bitte, kommen Sie mit in die Küche; ich werde mich um den Fleck kümmern.“
Sie bemühte sich, zuerst deutlich verärgert auszusehen. Dann lächelte sie. „Danke. Versuchen wir es.“ Sie seufzte laut. „Ausgerechnet Rotwein.“
„Mit Salz geht der Fleck weg; Sie werden sehen.“

In der Küche ließ sie sich auf einem Klapphocker nieder. Der Koch kramte in einem Schrank und zog ein sauberes Geschirrtuch hervor.
„Ich heiße übrigens Laura Schreiner“, sagte sie, als er vor ihr in die Hocke ging. Da er sich daraufhin nicht gleichfalls vorstellte, fuhr sie fort: „Ich sah zufällig, wie Sie einem Landsmann als Übersetzer zu Hilfe kamen.“
Der Koch legte sich das Geschirrtuch auf die Knie. „Eigentlich kann die Sekretärin auch Italienisch, aber zurzeit ...“ Er blickte kurz auf, dann löffelte er Salz auf den Fleck.
Laura war gespannt, wie er auf ihre nächsten Worte reagieren würde. „Das Unglück gestern hat alle sehr mitgenommen.“
Er nickte. „Warum musste das ausgerechnet uns passieren!“
„Ja, warum?“, echote Laura. „Mein kleiner Sohn sagt, die italienischen Kunstflieger seien besser als alle anderen.“ Sie lächelte mütterlich-stolz. „Er kennt sich aus, wissen Sie, so klein, wie er ist.“
„Kinder sind klug; viel klüger als die Eltern.“ Ein Lächeln überzog sein rundes Gesicht. „Ich habe auch einen kleinen Jungen; er ist vier.“
„Meiner ist schon neun. Aber seine Schwester ist vier. Sie geht in den katholischen Kindergarten; vielleicht kennt sie Ihren Sohn?“
Der Koch rieb mit dem Geschirrtuch auf dem eingesalzenen Fleck herum. „Bestimmt. Übrigens, ich heiße Tarcisio.“
Laura wertete das als Signal, dass sie sein Vertrauen gewonnen hatte, und kam auf die Flieger zurück. „Der Gast an der Rezeption trug einen Trauerflor; ist er ein Verwandter der abgestürzten Piloten?“
Tarcisio nickte, während er das Salz von ihrem Rock streifte. „Sisi; und er ist sehr zornig, weil man ihm die Hinterlassenschaften verweigert hat. Man habe die Piloten zum Schweigen gebracht, sagt er.“
„Die Mafia wagt sich an die Luftwaffe? Und dann so? Das glaube ich nicht“, behauptete Laura.
„Nicht die Mafia; die Mafia ist ein kleines Licht gegen die.“
Sie ließ einen Augenblick verstreichen, bevor sie die nächste Frage stellte. „Aber wer war es dann?“
Der Koch erhob sich und stellte das Salzfass neben den Herd. Er kniff die Augen zusammen, als er sie wieder ansah. „Warum fragen Sie das eigentlich alles?“
Laura zögerte. Einen Moment zu lange wohl, denn der Koch runzelte die Stirn.
„Interessiert uns das nicht alle?“
„Warum, Signora?“ Der Koch kam einen Schritt näher und sah ihr eindringlich ins Gesicht.
„Sie haben mich neugierig gemacht“, wich sie erneut aus und lächelte.
„Sie lügen, Signora. Was machen Sie überhaupt hier im Hotel?“
 (...)

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